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Die Kissinger Hütte auf dem Feuerberg

Der Gedanke, eine Hütte auf einer der Rhöner Bergkuppen zu bauen, entstand vor dem ersten Weltkrieg, als die Rhönklub- Troubadoure Braunwart, Franz Kirchner, Nägle, Pabst, Julius Reuß und Franz Vay bei einer alpinen Wanderung durch das Passeiertal die Augsburger Hütte erstiegen hatten und bei verdienter Rast sich einen ermunternden Südtiroler Tropfen zu Gemüte führten. Den unter dem Eindruck dieses Hüttenerlebnisses in einer großartigen Bergwelt geborenen Gedanken in die Heimat getragen, fand dieser beim damaligen schaffensfreudigen ersten Vorsitzenden Alfred Büdel einen ebenso begeisterten Widerhall. 

Wie sehr das Hüttenvorhaben über die Vorstandschaft hinaus eine zündende Wirkung ausübte, zeigte der am 8. Januar 1913 in einer Generalversammlung des 90 Mitglieder zählenden Vereins gefaßte Beschluß, wonach ein Betrag von 1000 Mark zur Verfügung gestellt wurde. Einigkeit bestand auch darüber, daß die Hütte, deren genauer Standort auf den Schwarzen Bergen noch nicht festgelegt war, den Namen "Prinzregent-Ludwig-Hütte" tragen sollte. Die Architekten Hein und Weigel erklärten sich bereit, Pläne und Kostenvoranschläge unentgeltlich auszuarbeiten. Während eine Sammlung unter den Anwesenden 26,80 Mark erbrachte, wurden weitere Beträge von 300 Mark zur Zahlung im Sommer gezeichnet.

Bald darauf nahmen Zeichnungslisten ihren Weg zu Mitgliedern und Gönnern, zudem fanden "Hüttenbausteine" in Form von Werbekarten bei der Bürgerschaft willigen Anklang. Wie sehr der Gemeinde Langenleiten an Grundstücksverkäufen im Hüttenbereich gelegen war -wohl auch aus der Überlegung heraus, in der schier verlassenen und armen Rhöngemeinde durch Touristenverkehr den Beginn einer, wenn auch bescheidenen Wirtschaftsbelebung einzuleiten, brachte das gemeindliche Angebotsschreiben vom 8. August 1913 deutlich zum Ausdruck: "Wegen Verkaufs eines Platzes auf den Schwarzen Bergen zwecks Erbauung einer Unterkunftshütte hat sich die hiesige Verwaltung nun dahin geeinigt, daß sie das Dezimal (34 qm) um 20 Pfennig abtreten will". Notfalls gestand die Gemeinde auch die Bereitwilligkeit eines weiteren Entgegenkommens zu. "Sollten es aber die vorhandenen Mittel auf keinen Fall erlauben, daß dieser Preis angelegt wird, so ist schließlich die Gemeinde auch zu einem kleinen Abzug bereit, wenn 1000 Dezimalen erworben werden. Wenn es die Vereinsverhältnisse nicht erlauben, wird der Platz um 150 Mark -1000 Dezimalen -abgetreten. Auf keinen Fall wollen Sie aber die Erwerbung eines anderen Platzes in Aussicht nehmen. Bürgermeister Keßler". 

Während in emsigem Schaffen die Hütte nahezu fertiggestellt war, brachte am 2. August 1914 der Gemeindediener von Langenleiten die Schreckenskunde vom Ausbruch des Weltkrieges hinauf zum Feuerberg. Einige der Hüttenpioniere, die sich gerade anschickten, letzte Hand an ihr Werk zu legen, mußten Hammer und Hobel niederlegen und dem Ruf von Vaterland und Heimat zu den Waffen folgen. Die am 21. Juli in der "Kissinger Saale-Zeitung" für den 23. August 1914 angekündigte Einweihung der König-Ludwig-Hütte auf den Schwarzen Bergen, wobei Pfarrer Kippes von Langenleiten die Weihe vornehmen sollte, fand wegen des inzwischen entbrannten Völkerringens nicht statt. Erst am Sonntag, 13. Oktober 1914, wurde die Hütte dem Ernst der Zeit entsprechend durch eine einfache Feier dem Betrieb übergeben.

Die Fertigstellung der Hütte darf als ein hohes Lied der Kameradschaft, als ein von selbstloser Tatbereitschaft getragenes Heimatbewußtsein gedeutet werden, Werte, die dem Gemeinschaftsleben im Wandern neue und fortwirkende Impulse verliehen haben. Die Hüttenpioniere haben mit der Schaffung des ersten Unterkunftsheimes in der Hohen Rhön ein verpflichtendes und fortwirkendes Zeugnis hinterlassen. Im Zuge der Entwicklung nahm auch die Wegemarkierung einen weiteren günstigen Fortgang.

Wer von den alten Rhöntroubadouren erinnert sich nicht des fast geheimnisumwitterten Zaubers früherer Hüttenabende? Was war es für ein beseligendes Gefühl für die einstigen Rhönwanderer, wenn sie mit vollgepacktem Rucksack -heute ein aussterbendes Requisit - von Kissingen über Premich -Langenleiten oder über Waldfenster auf einsamem Höhenpfad über die Platzer Kuppe, den Lärchen- und Totnansberg die "Feuerberger Krone" erreichten - das Abendleuchten des versinkenden Tages den Ankommenden einen Willkommensgruß entbot. Unter der Petroleumampel traulichem Schein, bei behaglichem Ausruhen, vergnüglichem Plaudern und Erzählen wuchsen Eintracht und Kameradschaft. Und wenn zur späten Stunde noch eine verborgen gehaltene "Sommeracher Spätlese" oder ein Sandberger "Rhöngeist" zum Vorschein kam, dann erhielt solch ein Abend -ungeachtet eines mitunter gegenseitig gespielten "Schabernacks" -eine glanzvolle "Weihe".

Die Hütte selbst hatte die Kriegsjahre ohne äußeren Schaden überstanden. Aber während der Nachkriegswirren, als zügellose Fremdarbeiter plündernd und raubend auch in der Rhön ihr Unwesen trieben, blieb die Kissinger Hütte nicht verschont. Zu dieser Zeit wurde die Hütte gewaltsam erbrochen, Decken und Geschirrbestände und andere Einrichtungsgegenstände größtenteils gestohlen. Einen deutschen Soldaten fand man blutüberströmt am Waldeingang zum Kappsteig tot auf -Opfer eines Verbrechens. Unter den Fichten am Waldrand hatte der Soldat vorübergehend sein Grab gefunden, bis er später in den Langenleitener Friedhof umgebettet werden konnte. Der Rhönklub ließ sich die Pflege des Grabes angelegen sein, und noch jahrelang hielt das Grabkreuz das Andenken an den aus Pommern stammenden Soldaten wach. Während der ersten, unter Führung von Karl Häselbarth und Georg Pabst angelaufenen Aufräumungsarbeiten in der von umherliegendem Diebesgut sehr verschmutzten Hütte konnte ein sich nähernder Haufen von Wegelagerern, die nichts Gutes im Schilde führten, durch Warnschüsse -abgefeuert aus einem unter anderen Waffen in der Hütte vorgefundenen beschädigten Gewehr -vertrieben werden.

Der Rhönklub war damals von der amerikanischen Besatzungsmacht aufgelöst worden, bis 1946 nach Darlegung seiner unpolitischen Tätigkeit die Wiedergründung erfolgen konnte. Otto Erich Levin übernahm das Amt des ersten Vorsitzenden. Das Verlangen nach einem Wiedererstehen des Rhöner Heimatbundes hatte sich entgegen allen Widerständen durchgesetzt. Franz Vay, in alter Weise von den Idealen des Rhönklubs beseelt und zum neuen Hüttenwart bestellt -Julius Reuß war Hüttenwart bis 1945 -hatte zusammen mit dem Wegemeister Hans Bauch und Wanderwart Anton Pfeuffer das Vereinsleben mit Wanderungen zu der für Übenachtungen wieder ordnungsgemäß hergerichteten Hütte in Gang gebracht. Nach all den zurückliegenden Belastungen und Nöten wuchs in den Menschen erneut die Sehnsucht nach Wanderungen, insbesondere zur Hütte.

ImMai 1950 übertrug die Vereinsführung den Eheleuten Alfred und Johanna Preß die ganzjährige Hüttenbewirtschaftung (ausgeübt bis 1960) auf der Grundlage eines Konzessions- und Hüttenvertrages. Die erweiterte Hütte und deren Bewirtschaftung, wobei der Hüttenvater Alfred als anerkannter Weinkenner" immer mit einem guten, von ihm selbst gerne gekosteten Tropfen" aufzuwarten wußte -erwiesen sich als akzeptable Annehmlichkeit" für die ständig größer werdende Schar der Hüttenfreunde.

Einer Einladung folgend, besuchte der gesamte Stadtrat von Bad Kissingen, an der Spitze Bürgermeister Schonder (Oberbürgermeister Dr. Fuchs war dienstlich verhindert) am 26. August 1950 die Hütte. Die Stadtväter äußerten sich über die geleisteten Arbeiten sehr befriedigt und stellten eine angemessene Unterstützung im nächsten Etat der Stadt in Aussicht.

Der Tod riß unter den alten Hüttenpionieren schmerzliche Lücken. Am 10. 3. 1950 starb der Hüttenmitbegründer und in die Annalen eingegangene langjährige 1. Hüttenwart Gewerberat Julius Reuß. Plötzlich und unerwartet beendete Franz Vay, dem die Hütte seit vielen Jahren so sehr ans Herz gewachsen war, am 12. Mai 1952 seine irdische Wanderschaft. Nachfolger als Hüttenvorstand wurde der ebenfalls mit dem Feuerberger Eldorado engverbundene Malermeister Karl Brander (genannt das "guete Menzele"). Mit der am 6. März 1958 durch eine Generalversammlung erfolgten einstimmigen Wahl von Otto Schubert zum 1. Vorsitzenden erlebte der Zweigverein, insbesondere die Kissinger Hütte, in den folgenden Jahren eine von neuen Impulsen geprägte fortschrittliche Entwicklung. Mit frischem Wind in den Segeln des Vereinsschiffes ging Schubert, gestützt auf eine erfahrene Vorstandschaft, an die Arbeit.

Unter Schubert erfolgte der elektrische Stromanschluß zur Hütte, damit eine neuzeitliche Beleuchtung der Hüttenräume und Telefonanschluß. Verbesserte sanitäre Einrichtung, Bau einer Kläranlage, Installierung einer Zentralheizung in allen Räumen, die Versorgung der Hütte mit frischem Quellwasser durch elektrisch betriebenes Pumpwerk, waren weitere durchgeführte Maßnahmen. Vom vereinseigenen Parkplatz an der Waldspitze wurde mit Hilfe eines Zuges der Pionierkompanie 350 Hammelburg eine Versorgungsstraße zur Hütte gebaut.

Krönung der bisherigen Bauprojekte bildete die 1964 fertiggestellte Erweiterung der Kissinger Hütte mit einer Wohnung für die Hüttenbewirtschafter. Die Finanzierung des Gesamtprojektes konnte durch Zuschüsse des Bayerischen Kultusministeriums, aber auch durch große Spendenwilligkeit und Eigenleistungen von Mitgliedern und Gönnern sichergestellt werden.

 

Quelle:
„Mein altes Städtle und die Rhön
Erinnerungen, Erlebnisse und Betrachtungen von Fritz Kreiner

 

 

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